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Die Entwicklungen der letzten Jahre innerhalb der digitalen Medien stellen auch die Darstellung von Musik vor
neue Herausforderungen. Lag der bisherige Schwerpunkt der Entwicklung vorwiegend auf dem Gebiet der
elektronischen Klangerzeugung, der Speicherung und Codierung von Klängen, so ergab sich in letzter Zeit der
Wunsch und die Notwendigkeit, ein umfassenderes Konzept der digitalen Darstellung von Musik zu entwickeln.
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Was die Musiknotation betrifft, war der Gedanke maßgeblich, nach dem Vorbild der modernen Markup-
Sprachen die Notation nicht direkt abzubilden, sondern die Datenstruktur von der graphischen Umsetzung zu
trennen. Mit der Entwicklung von XML (Extensible Markup Language) steht eine
Datenstrukturierungssprache zur Verfügung, die breite Anerkennung, Zukunftsbeständigkeit und Haltbarkeit der
Daten vereint.
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Für die Musikwissenschaft nimmt die Repräsentation varianter Quellenüberlieferung, also die historischkritische
Edition, eine zentrale Rolle ein. Nun sollte aber die Fachdisziplin, die für die musikalischen Belange
zuständig ist, bei der Entwicklung einer digitalen Lösung nicht schweigen, sondern sich aktiv in den Prozess
einbringen.
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Hierzu ist ein Dialog mit der Informatik erforderlich, in dem die aus der Geschichte des Faches
Musikwissenschaft erwachsenen Erfahrungen, Ansprüche und Qualitätskriterien vermittelt, andererseits falschen
Erwartungen an die Technik und der Entwicklung ineffizienter Konzepte aufgrund mangelnden technischen
Verständnisses vorgebeugt wird.
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Bisher existieren auf diesem Gebiet nur proprietäre Einzellösungen, die zum
einen den Erfordernissen eines breiten Repertoires von Musik nicht Rechnung tragen und zum anderen den Kriterien der freien
Verfügbarkeit, übergeordneten Standardisierung und Plattformunabhängigkeit noch nicht genügen.
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In einem ersten Schritt gilt es also eine Repräsentation varianter Quellenüberlieferung
für ein breites Musikrepertoire inklusive des zugehörigen kritischen Apparates zu entwickeln, die sich an eine bestehende Musik-XML-Sprache anlehnt bzw. eine einfache
Migration zu einem Standard erlaubt.
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Dabei muss gründlich reflektiert werden, welche Elemente der bisherigen
Editionen in das digitale Medium überführt werden und welche Gestalt sie dort annehmen sollen. Wie können
beispielsweise Hinweise auf variante Lesarten codiert werden, wie die Einbindung des kritischen Berichts, wie
die Anbindung an Faksimilia, wie verschiedene Editionstypen (historisch-kritische Edition, praktische Ausgabe
etc.), um nur einige Punkte zu nennen.
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Es gilt zu reflektieren, welche Chancen die neuen Medien eröffnen, wie
diese Methoden und Profil des Faches Musikwissenschaft verändern können, aber auch, welche Probleme und
Gefahren mit ihnen verbunden sind.
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In einem zweiten Schritt folgen dann Überlegungen zu Strategien der Visualisierung und zum Bau einer
graphischen Oberfläche (User-Interface). Ziel ist es, ein Modell zur digitalen Repräsentation musikalischer
Varianten zu entwickeln, das den Ansprüchen von Musikwissenschaft und Informatik gleichermaßen gerecht
wird.
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