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Digitale Musik Edition / Digital Music Edition

TüBingen - Phase 1


Phase 1 beschäftigt sich mit der Findung eines Datenformats, das den Anforderungen kritischer Musikedition im Allgemeinen, und der Repräsentation der Gesänge Hildegards von Bingen im Besonderen gerecht wird.

Das Datenformat soll hierbei sowohl die
  • Repräsentation varianter Quellenüberlieferung samt des notwendigen

  • kritischen Berichts als auch die

  • Codierung der Neumenformen
ermöglichen.



Vergleich und Eignung bestehender Formate


Ein Vergleich von drei bereits vorhandenen auf XML basierenden Datenformaten (MusicXML, MEI, NeumesXML), die für diese Aufgabenstellung in Frage kämen, ergibt, dass keines alle Anforderungen erfüllt:
  • Das von Michael Good/Recordare entwickelete Format MusicXML ist zwar weit verbreitet und besitzt Schnittstellen zu zahlreichen Musiknotationsprogrammen wie z.B. FINALE.
    Es wurde aber als Austauschformat für Musiknotation entwickelt und hatte hierbei nicht die Einsatzfelder wissenschaftlicher Editionen im Blickpunkt.
    Deshalb fehlen bisher die Möglichkeiten zur Abbildung varianter Quellenüberlieferung in einem einzelnen File sowie zur Codierung älterer Musiknotation, insbesondere von Neumen.

  • Die von Perry Roland nach dem Vorbild der TEI (Text Encoding Initiative) entwickelte MEI (Music Endocing Initiative) sollte von vorne herein die Repräsentation wissenschaftlicher, kritischer Ausagaben von Musik ermöglichen.
    Entsprechend gut ausgeprägt sind die Möglichkeiten zur Codierung varianter Quellenüberlieferung in einem einzelnen File sowie zur Darstellung des kritischen Berichts.
    Möglichkeiten zur Codierung älterer Musiknotation fehlen bisher. Das Format ist allerdings modular aufgebaut und erlaubt die Erweiterung mit Modulen für spezielle Aufgaben.

  • NeumesXML wurde von Louis W. G. Barton entwickelt, um ein einheitliches Format für die Codierung von Neumen zur Verfügung zu stellen. Entsprechend detailliert sind die Möglichkeiten zur Codierung verschiedenster Neumen und der Meta-Informationen liturgischer Handschriften.
    Sein universaler Anspruch, alle Neumenfamilien in einem einzigen Format repräsentieren zu wollen, sowie die fehlende Anbindung an andere XML-Formate, stellen jedoch ein Problem dar und bergen die Gefahr einer isolierten Insellösung.
    Außerdem erlaubt NeumesXML nicht die Codierung varianter Lesarten in einem einzelnen File.

Die folgende Tabelle zeigt zusammenfassend die verschiedenen Möglichkeiten der untersuchten Formate im Vergleich:

Tabelle der Formate



Modulare Erweiterung von MEI durch meiNeumes


Als Konsequenz aus dem Vergleich bestehender XML-Formate ergab sich, dass für das Projekt TüBingen eine Erweiterung von MEI um ein spezielles Modul zur Codierung von Neumen die beste Lösung darstellt.

MEI bietet bereits eine umfangreiche Unterstützung zur Repräsentation varianter Quellenüberlieferung und zur Codierung des kritischen Berichtes in einem einzelnen File.

Dies gilt unabhängig vom musikalischen Repertoire. Die notwendige Erweiterung beschränkt sich damit auf Codierung der Neumen in den Hildegard-Handschriften.

In Zusammenarebit mit Perry Roland enstand so das Modul meiNeumes, das in die neueste Version von MEI integriert werden wird.
Es erlaubt die Codierung der Neumen und anderer Besonderheiten der Notation und wird mit
Tabelle der Formate
im Header der MEI-Datei aktiviert.



Codierungs-Beispiele


Im Folgenden einige ausgewählte Beispiele der Erweiterung von MEI durch meiNeumes anhand der Antiphon O splendidissima gemma [Codex Dendermonde]:

O splendidissima Codex D

  • Schlüssel und Notenlinien

    • Codierung der simultan auftretenden C- und F-Schlüssel, wobei der F-Schlüssel auch nur als Punkt erscheinen kann:
      Codierung der Schlüssel

    • Codierung der Anzahl der Notenlinien. Meistens verwenden die Schreiber vier Linien und als fünfte die Textlinie des darüberliegenden Systems.
      Das Beispiel zeigt die Codierung eine 5-Liniensystems mit C-Schlüssel auf der vierten und F-Schlüssel in Form eines Punktes auf der zweiten Linie:
      Schlüssel und Linien

    • Schlüsselwechsel innerhalb eines Gesangs:
      Schlüsselwechsel


  • Lokalisierung innerhalb der Handschrift

    • Codierung von Folio und Zeile:
      Folio und Zeile

  • Neumencodierung

    • Die Silbe als umrahmendes Element für die Neumen bildet die mittelalterliche Vorstellung von der Musikalisierung eines Textes ab.
      Im Beispiel werden die rote O-Initiale der ersten Silbe und die mit ihr verbundene Neumenform, ein Porrectus, sowie die Tonhöhen codiert.
      Ebenfalls codiert ist der wichtige Unterschied zwischen graphisch verbundener (uneume = uninterrupted neume) und graphisch getrennter Schreibweise (ineume = interrupted neume) eines Neumenzeichens.
      Im Beispiel handelt es sich um einen verbunden geschriebenen Porrectus:

      Codierung einer Initiale O-Initiale


    • Codierung eines graphisch nicht verbundenen Scandicus, der sich aus Einzelton-Neumenzeichen zusammensetzt:
      Codierung eines Scandicus Scandicus


    • Graphische Varianten eines Grundzeichens, die eine bestimmte, wenn auch teilweise nicht restlos geklärte Modifikation beim musikalischen Vortrag anzeigen, werden mithilfe des Attributs form codiert.
      Hierzu gehören liqueszente Formen, die in den Hildegard-Handschriften auftauchende rhombenförmige Schreibung des Punctum statt der normalerweise lanzettförmigen, oder wie im folgenden Beispiel die Veränderung eines Pes zu einem Quilisma-Pes:
      Codierung eines Quilisma-Pes Scandicus


Für Kommentare und die Angaben des kritischen Berichts steht in MEI bereits das Modul meiCrit zur Verfügung.
Es wird durch
Tabelle der Formate
im Header der MEI-Datei aktiviert.

  • Kommentare

    • Eine Sequenz von Neumenzeichen lässt sich in bestimmten Kontexten verschieden interpretieren.
      Mithilfe des Elements annot wird im folgenden Beispiel die Folge von Neumen als Dreitöniger Quilisma-Scandicus subtripuncits interpretiert, und die Tatsache, dass es sich hierbei um eine Interpretation des Editors handelt, kenntlich gemacht.
      Codierung eines Quilisma-Scandicus Qulisma-Scandicus subtripunctis


    • Für die Codierung varianter Lesaren steht das Element appst zur Verfügung.
      Im folgenden Beispiel wird das zusätzliche Punctum G über der Silbe so- in Codex Dendermonde gegenüber Codex R codiert und mit einem entsprechenden Kommentar versehen:
      Codierung einer Variante Kommentar zur Variante Variante in D und R



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