Logo

DiMusEd

Digitale Musik Edition / Digital Music Edition

Notation in den Hildegard-Handschriften


I. Codex Dendermonde

II. Codex Wiesbaden [Rupertsberger Riesencodex]

III. Neumenformen

IV. Transkription

V. Weiterführende Literatur



Die Gesänge Hildegards von Bingen sind in den Handschriften in so genannten deutschen Neumen auf Linien notiert.
Die Schreiber benutzen dabei meist ein 5-Linien-System mit c- und f-Schlüssel, wobei die Linie für den Text als fünfte Linie dient und die c-Linie gelb, die f-Linie rot gefärbt ist.

Der f-Schlüssel kann dabei auch - wie beim Beginn der folgenden Antiphon O splendidissima gemma aus dem Codex Dendermonde - die Form eines runden Punktes annehmen:

O splendidissima Codex D
Beginn der Antiphon O splendidissima gemma in Codex Dendermonde, f. 154



Die beiden Hauptquellen zu Hildegards Gesängen, der oben abgebildete Codex Dendermonde und der so genannte Wiesbadener "Riesencodex" [Codex R], unterscheiden sich in der musikalischen Überlieferung nur in Details.
Gleichwohl sind diese Details wichtig, um Fragen nach der Entstehung und Überlieferung der Gesänge zu erforschen.

Insgesamt sind die beiden Sammelhandschriften zwar von verschiedenen Schreibern, aber im selben Skriptorium auf dem Rupertsberg geschrieben worden.

Zum Vergleich der Beginn der Antiphon O splendidissima gemma im Wiesbadener Codex:

O splendidissima Codex R
Beginn der Antiphon O splendidissima gemma in Codex R, f. 466b


Da die Neumen bei der musikalischen Überlieferung Hildegards auf Linien mit Schlüsseln erscheinen, sind die Tonhöhen der Melodien relativ unproblematisch zu lesen.
Im 12. Jahrhundert stellt dies in Deutschland eine neue Notationsform dar, die sich vor allem im Kontext der Reform-Orden, wie der Zisterzienser, aber auch der so genannten Hirsauer Reform, zu der auch Hildegard zu zählen ist, findet.
Andere Skriptorien, so z.B. St. Gallen, hielten noch bis ins 15. Jahrhundert hinein an den adiastematischen Neumen fest.

Ein weiterer Grund für die Notationsform in den Hildegard-Handschriften könnte sein, dass die Musik Hildegards ein neues und unbekanntes Repertoire darstellte, das außerhalb von Hildegards Kloster nicht durch mündliche Überlieferung gesichert war.

Die Notation enthält Einzel- und Gruppenzeichen und so genannte Zierneumen. Als einziges Vorzeichen benutzt die Notation b und das entsprechende Auflösungszeichen.

Die folgende Tabelle zeigt einige der wichtigsten Neumenzeichen in den Hildegard-Handschriften mit Transkriptionsbeispielen:

Neumentabelle
Einige der in den Hildegard-Handschriften verwendeten Neumen



Neumen können als Einzelzeichen oder Gruppenzeichen geschrieben werden. Es ist auch möglich, dass ein und dasselbe Zeichen alleine verwendet wird oder innerhalb einer Gruppe.

Außerdem können Zeichen, die mehrere Töne repäsentieren und als eine grafische Einheit geschrieben sind, auch in ihre einzelnen Elemente zerlegt werden (sog. unverbundene Schreibweise).

Für die spätere Umsetzung auf den Computer ist diese Problematik von besonderer Bedeutung.

Ein einzelnes Neumenzeichen kann unter Umständen verschiedenartig geschrieben werden. Beispielsweise ist es möglich, dass die Form eines punctum nicht lanzettförmig, wie in der Mehrzahl der Fälle in den Hildegardhandschriften, sondern eher rautenförmig erscheint.

Ein Beispiel für die Transkription der Neumen in moderne Notation stellt die so genannte Eierkohlennotation dar. Bei ihr werden die Tonhöhen der Neumen in neutrale Notenköpfe übertragen.
Optional können, wie in der folgenden Abbildung, die ursprünglichen Neumenzeichen der Transkription hinzugefügt werden, um die Information der Neumen zu erhalten:

Eierkohlennotation
Übertragung der Antiphon O splendidissima gemma in Eierkohlennotation



Weiterführende Informationen:
  • Stefan Johannes Morent, Marianne Richert Pfau:
    Hildegard von Bingen: Der Klang des Himmels,
    in: Europäische Komponistinnen, hg. von Melanie Unseld und Annette Kreutziger-Herr, Bd. 1, Böhlau-Verlag, Köln/Weimar 2005.

Impressum | | © 2014 dimused.info